Future Office: 







Interview

Bjørn Polzin: „Viele Sinne samt Wohlfühlen und Lächeln“

Im Gespräch mit Bjørn Polzin — er ist Leiter der Planung bei apoprojekt. Das Unternehmen ist Marktführer im Mieterausbau und Experte für den Transformationsbedarf im Bestand. Bislang hat apoprojekt rund 4.400 Projekte bei einem Bauvolumen von über 1,7 Milliarden Euro realisiert — neben Unternehmen wie der Allianz, Amazon, Apple, die Commerzbank und die Deutsche Telekom auch für diverse namhafte Projektentwickler.

Herr Polzin, das Büro der Zukunft ist …

Interview mit Bjørn Polzin, Leiter der Planung, apoprojekt

… VR/AR oder real?

Real. Denn der Fokus des Büros wird sich in nächster Zeit noch stärker auf das Miteinander verschieben. Im Büro werden VR/AR weiter getestet, um wiederum die Kommunikation mit büroexternen Menschen zu erleichtern.

… Digital- oder Pflanzenwand?

Pflanzenwand. Etwas Grünes im Blickfeld zu haben, beruhigt nachweislich und macht stressresistenter. Wohlfühlen mit echten Pflanzen bereichert jeden Arbeitsplatz. Das Büro wird eher biophiler Dschungel als Smartscreen-dominiert.

… CO2-neutral oder mehr?

CO2-neutral. Mehr, also beispielsweise die zusätzliche Einspeisung grüner Energie ins Netz, werden wir nur bei wenigen Leuchtturmprojekten sehen. Solange sich die wirtschaftliche Lage nicht bessert, wird kaum jemand mehr machen, als er muss. Darüber hinaus beschränkt die Regulatorik die Eigentümer zum Beispiel bei PV-Anlagen größer als 100 kWp.

… KI-smart oder nicht?

Beides. Im Gebäude wird die Leittechnik immer wichtiger zur Einsparung von Energie. Nach dem Low-Tech-Ansatz ist es heute essenziell zu dokumentieren, was die jeweilige Technik real verbraucht. Wir sehen aber eindeutig, dass ein maximales Performance-Gebäude aufgrund der hohen Technikausstattung ökologisch schlechter ist.

… vernetzt oder Digital-Detox?

Vernetzt. Ein produktiver Arbeitsplatz mit stabiler Konnektivität muss flexibel sein und verschiedene Settings ermöglichen. Der Trend geht weiterhin weg vom Open-Space. Wenn eine Erholung zu Hause nicht möglich sein sollte, können Ruheräume eine Option sein, bleiben aus meiner Sicht aber die Ausnahme.

… für eine Firma oder geteilt?

Das Büro der Zukunft dient einer Firma mit dem klaren Fokus auf Identitätsstiftung. Die Ansätze der Sharing-Economy unterstützen kleine Büros, ein soziales Umfeld zu schaffen und einen Raum für Synergieeffekte zwischen unterschiedlichen Bereichen zu schaffen.

… tier- oder kinderfreundlich?

Pet-friendly hat Zukunft. Tiere unterstützen das Wohlfühlambiente, können einen beruhigenden Effekt haben und so beim Stressabbau helfen. Man muss allerdings alle Mitarbeitenden im Auge behalten und auf Allergien oder Ängste Rücksicht nehmen.

… Neu- oder auch Altbau?

Altbau! Die Zukunft der Immobilienindustrie liegt im Altbau! Ein Umbau im Bestand hat für die künftigen Mieter nicht nur enormes Identifikationspotenzial durch die Historie der Immobilie, er ist durch die Weiternutzung der vorhandenen Bausubstanz wesentlich nachhaltiger als ein Neubau. Natürlich kann es bei Sanierungen immer zu Überraschungen kommen. Und natürlich ist es komplex, eine neue, effektive TGA möglichst unter Berücksichtigung der vorhandenen Durchbrüche zu planen und zu realisieren. Insofern ist es wichtig, eine möglichst umfassende Bestandsaufnahme durchzuführen, Stichwort Punktwolke, und ein erfahrenes Bauteam an der Seite zu haben. Aber wenn das gegeben ist, wird der Altbau wie gesagt als Büro in hohem Maße zukunftsfähig und zieht Unternehmen an, die beim Future-Office immer mehr auf Nachhaltigkeit und den Charme vergangener Architekturepochen setzen werden.

… umbauter oder Außenraum?

Beides. Neben einem top designten Innenraum sind begrünte Terrasse, Dächer und Innenhöfe wichtige Bestandteile des Future-Office. Sie steigern die Aufenthaltsqualität des Büros und die Interaktion mit Kolleginnen und Kollegen.

… Stressabbau oder nicht?

Ja! In der heutigen „Always-on“- und „Everything on demand“-Mentalität ist der Stressabbau wichtiger denn je. Dieser wird beispielsweise durch Sport- oder Yogaräume im Office und generell ein entspannendes Arbeitsumfeld unterstützt.

… Feier- oder Arbeitsplatz?

Das fokussierte Arbeiten ist wichtig. Die Anforderungen hierzu sind so unterschiedlich wie die familiären Umstände der Mitarbeitenden. Manchmal funktioniert das zu Hause, manchmal viel besser im Büro. Das Sozialgefüge und die Synergieeffekte von unterschiedlichen Abteilungen ergeben sich nur im realen Miteinander.

… Wohnflair oder Büroflair?

Wohnflair. Das Büro der Zukunft ist komfortabler und bis ins Detail hochwertig mit möglichst natürlichen Materialien — auch, damit es gegenüber dem Homeoffice favorisiert wird. Es geht um „Destination“–Büros als besondere Orte, an denen man gerne Zeit verbringt.

… Nature- oder Future-Look?

Nature. Das Stichwort Wohnflair ist ja eben schon gefallen. Wir sehen für die Zukunft eine klare Tendenz zum skandinavischen Wohlfühl-Style mit natürlichen und gesunden Materialien.

… tanzende oder starre Wände?

Aufgrund der akustischen Performance — in der nahen Zukunft weiterhin starre Wände. Wir testen allerdings schon Produkte, die bei einer Anpassung des Büros nicht abgerissen werden müssen, sondern flexibel versetzt werden.

… viele oder alle Sinne ansprechend?

Viele Sinne samt Wohlfühlen und Lächeln. Auch die Haptik durch gute Materialien ist wichtig. Nur beim Geruchssinn ist es schwierig. Dieser ist sehr individuell. Was für den einen Mitarbeitenden entspannend ist, ist für den anderen unangenehm.

Interview

Dr. Stefan Rief: „Kognitive Gebäude machen Nutzerströme steuerbar“

„Kognitive Gebäude machen Nutzerströme steuerbar“

Interview mit Dr. Stefan Rief, Leiter Forschungsbereich Organisationsentwicklung und Arbeitsgestaltung, Fraunhofer IAO

Welche Megatrends haben maßgeblichen Einfluss darauf, wie wir im Future Office arbeiten?

Auf der Hand liegen hier sicherlich Digitalisierung, Individualisierung und Dekarbonisierung. Die Digitalisierung wirkt dabei in mehrerlei Hinsicht. Zum einen geraten wir aller Voraussicht nach in eine hybride Zusammenarbeit – mit allen denkbaren Mischformen. Zum anderen werden wir uns mit smarten, kognitiven Umgebungen auseinandersetzen müssen. Im Zentrum steht dabei die Frage, wie Menschen besser arbeiten können und wann Umgebung positiv auf uns einwirkt. Der dritte Strang ist die Automatisierung von Arbeit – ein Trend, der bereits vor der Pandemie angelegt war. Repetitives fällt weg und es bleiben komplexere und kommunikationsintensivere Aufgaben.

Wie wirkt sich der Trend zur Individualisierung auf Büroimmobilien aus?

Individualisierung meint, dass wir nicht mehr nur kollektiv zur Arbeit kommen oder kollektiv remote arbeiten. Unternehmen müssen auf die individuellen Bedürfnisse eingehen und sie austarieren. Für Büroimmobilien könnte ich mir vorstellen, dass sie Eigenschaften von Betreiberobjekten annehmen, vergleichbar mit Hotels. Der Facility Manager übernimmt zunehmend die Rolle des Gastgebers, Arbeitgeber müssen eine Inszenierungskompetenz entwickeln.

Sie erwähnten kognitive Umgebungen. Was meinen Sie damit?

Wir haben zum ersten Mal die Chance, mithilfe von digitaler Technologie individuelles Nutzerverhalten zu analysieren und zu steuern. Die Optimierung der Arbeitsumgebung mit Blick auf Temperatur, Licht usw. ist ein Aspekt, ein weiterer das Austarieren von Präsenz. Ein Beispiel: Von Dienstag bis Donnerstag ist das Büro üblicherweise stärker frequentiert als an Mon- und Freitagen. Dieser Peak zur Wochenmitte lässt sich durch soziale Buchungssysteme ausgleichen. Die Anwesenheit von Teamkollegen kann als Impuls dienen, ebenfalls das Büro aufzusuchen. Umgekehrt lässt sich der Cliquenbildung entgegenwirken. Kantinen- oder Restaurantgutscheine können den Gang ins Büro incentivieren. Kognitive Gebäude erhöhen also die Motivation sowie Zufriedenheit der Nutzer und machen Nutzerströme steuerbar.

Was bedeutet das strukturell für Büroflächen?

Die Menschen wollen im Büro soziales Miteinander erleben. Reine Offenheit im Sinne des Großraumbüros ist dabei allerdings nicht zielführend. Angesichts des Vormarschs hybrider Formate und des erwartbar steigenden Spracheintrags, man denke an das Diktieren von Mails, bedarf es eines deutlich höheren Anteils an Rückzugsorten. Die Notwendigkeit, in räumlicher, digitaler und menschlicher Hinsicht die perfekte Umgebung darzustellen, wird den Entwicklungs- und Sanierungsdruck auf Flächen deutlich erhöhen.

Welche Rolle spielt das Büro künftig bei der Wahl des Arbeitgebers?

Der Purpose rückt immer mehr in den Fokus. Gerade beobachten wir eine hohe Wechselbereitschaft, weil sich während der Pandemie viele Arbeitnehmer die Frage nach der Sinnhaftigkeit ihres Tuns gestellt haben. Die Büroimmobilie ist dabei für all jene essenziell, die ohnehin Freude an der Präsenz haben. Insgesamt wird sich die Nutzung mehr ausdifferenzieren und neben der räumlichen Zusammenarbeit wird jene in Ökosystemen an Bedeutung gewinnen.