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Verantwortung übernehmen – Der Gebäudebereich auf dem Weg zur Klimaneutralität (Gutachten)

Der Zentrale Immobilien Ausschusses e.V. (ZIA) unterstützt die Energie- und Wärmewende der Bundesregierung. Im Fokus der klimapolitischen Ziele der Bundesregierung sowie der EU steht die Verringerung des CO2-Ausstoßes. Als tragende Säule der deutschen Wirtschaft arbeitet die Immobilienwirtschaft bereits erfolgreich daran, diese Emissionen zu reduzieren. War der Gebäudesektor 1990 noch für den Ausstoß von 210 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten verantwortlich, waren es im Jahr 2020 nur noch rund 120 Millionen Tonnen. Das entspricht einem deutlichen Rückgang um mehr als 40 Prozent. Maßgeblich für diesen Erfolg war, dass Eigentümer ihre Gebäude energetisch saniert haben, alte Heizungen ausgetauscht wurden sowie beim Heizen und Kühlen verstärkt erneuerbare Energien zum Einsatz gekommen sind.

Die Immobilienwirtschaft wird auch weiterhin ihren engagierten Beitrag zum Klimaschutz leisten und beschreitet als Branche die notwendigen Pfade zur Klimaneutralität. Alle Wirtschaftssektoren stehen vor einem umfassenden Transformationsprozess, an dessen Ende Deutschland 2045 die Treibhausgasneutralität erreichen will. Die Klimaziele 2030 sind dafür ein wichtiger Meilenstein. Es bedarf nicht weniger als einer historischen und gesamtgesellschaftlichen Kraftanstrengung, um die Halbierung der Treibhausgas (THG)-Emissionen zu erreichen.

Zu dieser Kraftanstrengung gehören immense Investitionen, bauliche und technische Veränderungen, deren Finanzierung und eine erfolgreiche Umsetzung, die auch von geeigneten politischen Rahmenbedingungen abhängt. Es braucht aber auch Förder-Anreize. Der konsequente Abbau von bürokratischen Hemmnissen und das Setzen von steuerlichen Anreizen sind wichtige Voraussetzungen für Investitionen in grüne Technologie. Zudem müssen Gebäudebesitzer bei der energetischen Gebäudesanierung und der Nutzung erneuerbarer Energien finanziell unterstützt werden.

Kernforderungen, um einen klimaneutralen Gebäudebestand zu erreichen

Die Immobilienwirtschaft braucht zügig politische Rahmenbedingungen, die den Dekarbonisierungspfad des Sektors unterstützen und es Immobilienunternehmen ermöglicht, mit bestehenden Technologien schnelle Fortschritte bei der CO2-Einsparung zu erreichen. Der Bestand muss in den Fokus genommen werden, um die Förderung von Einzel- und systemischen Maßnahmen auszubauen. Im Vergleich dazu ist der Hebel im Neubau zur CO2-Einsparung durch energetische Gebäudestandards weitaus schwächer, weniger kosteneffizient und auch in der Gesamt-Ökobilanz nachteilig.

Das Gutachten „Verantwortung übernehmen – Der Gebäudebereich auf dem Weg zur Klimaneutralität [PDF | 13,98 MB]“, im Auftrag des ZIA von Univ.-Prof. Dr.-Ing. Kunibert Lennerts (KIT) und Univ.-Prof. Dr.-Ing. M. Norbert Fisch (siz energieplus), zeigt auf, welche Maßnahmen besonders effektiv sind, um den Pfad zu einem klimaneutralen Gebäudebestand erfolgreich zu beschreiten. Folgende Punkte sollten bei der Erarbeitung eines 100-Tage-Klimaschutz-Sofortprogrammes daher berücksichtigt werden:

1. Schnell wirkende Maßnahmen zur Senkung von THG-Emissionen fördern

Das ambitionierte Ziel einer Halbierung der THG-Emissionen bis 2030 macht es erforderlich, sich auf Maßnahmen zu konzentrieren, die schnelle Wirkung entfalten. Dazu zählt die Betriebsoptimierung, die Solarisierung der Dachflächen zur Stromproduktion, der Ausbau und Anschluss an Fernwärmenetze sowie der Umstieg auf Wärmepumpen. Der Ausbau der Photovoltaik ist dabei nicht mit einer Verpflichtung verbunden. Vielmehr sollten die vorhandene Wirtschaftlichkeit und die kurze Amortisationszeit stärker berücksichtigt werden.

Die Erstellung von Sanierungsfahrplänen für die Immobilienwirtschaft kann die Umsetzung von schnell wirkenden Maßnahmen unterstützen. Hierzu sind geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen. Neben einheitlichen Zielwerten und Bezugsflächen ist die Definition der Bilanzgrenze ein entscheidender Faktor. Das ZIA-Positionspapier „Bilanzierungsgrenzen und Key Performance Indicators (KPIs) für Sanierungsfahrpläne [PDF | bytes]“ zeigt Lösungsvorschläge für das Konzept.

2. Umstellung der Regularien auf Treibhausgasemissionen vereinfachen

Die auf europäischer und nationaler Ebene vorhandene heterogene Gesetzeslage im Gebäude- und Energiesektor bedarf einer Harmonisierung und grundlegenden Vereinfachung. Die gesamte Regulatorik muss stringent von Primärenergiebedarf auf THG-Emissionen umgestellt und vereinfacht werden. Nur so ist eine effektive Erfolgsmessung möglich. Die Erfolgsmessung muss nach dem Verursacherprinzip erfolgen, so dass die Interaktionen zwischen den Sektoren Energie und Gebäude sichtbar und Strategien zur Erreichung der Klimaneutralität in den Sektoren wirksam umgesetzt werden können. Dabei gilt der Dreiklang aus Energieeffizienz, Betriebsoptimierung im Gebäudebestand sowie einer Dekarbonisierung der Strom- und Wärmeerzeugung. Bei der Bilanzierung wird darüber hinaus auch die Erfassung der grauen Energie von verbauten bzw. noch zu verbauenden Bauteilen eine wichtige Rolle spielen, sowohl im Bestand als auch im Neubau. Dafür brauchen wir jedoch eine einheitliche CO2-Bewertung der Baustoffe unter transparenter Mitwirkung der Hersteller.

3. Energetische Sanierung im Bestand fördern und ausbauen

Im Bestand von Wohn- und Nichtwohngebäuden gibt es noch ein erhebliches Potenzial zur Minderung von THG-Emissionen. Daher ist es für schnell wirkende Maßnahmen notwendig, die Förderung von Einzel- und systemischen Maßnahmen im Bestand noch stärker als bisher auszubauen.  Im Vergleich dazu ist der Hebel zur CO2-Einsparung durch energetische Niveaus von Neubauten weitaus schwächer.

4. Nicht noch mehr Dämmung

Das Potential zur weiteren Verbesserung der Gebäudehülle ist ausgereizt. Mehr Dämmung als vom geltenden GEG gefordert würde nur noch zu geringen (theoretischen) Einsparungen des Heizwärmebedarfs führen, die THG-Emissionen in der Lebenszyklusbetrachtung auf Grund des Ressourcenaufwands jedoch erhöhen. Deshalb sollte es keine weitere Verschärfung der Anforderungen an die Gebäudehülle für den Neubau geben.

5. Wärmeversorgung dekarbonisieren

Die Transformation zur klimaneutralen Wärmeversorgung des Gebäudebestands muss beschleunigt werden. Notwendig ist die zeitnahe Verdrängung fossiler Energieträger durch die Umstellung auf erneuerbaren Energien für die Strom- und Wärmeversorgung. Der Ausbau sowie die Dekarbonisierung der Fern- bzw. Nahwärmenetze und die Nutzung strombasierter Wärmeerzeugung durch Wärmepumpen muss vorangetrieben werden. Dazu sollte auch der Quartiersansatz gestärkt werden, um Synergieeffekte zwischen Objekten zu erzielen und Sanierungsansatzpunkte im Gesamtkontext nach wirtschaftlichem Aufwand und CO2-Effekt zu bewerten.

6. Betriebsdaten mit Hilfe der Digitalisierung transparent machen - Smart Readiness Indicator (SRI)

Grundlage für die zielgerichtete Umsetzung effizienter Maßnahmen ist eine Digitalisierung der Verbrauchserfassung für Wärme und Strom. Die Daten müssen online für den Eigentümer und Nutzer zur Optimierung des Betriebs und des Monitorings der THG-Emissionen verfügbar gemacht und automatisiert mit Benchmarks zur Plausibilisierung versehen werden. Die Einführung eines Smart Readiness Indicator zur Bewertung der „Intelligenzfähigkeit“ eines Gebäudes, wie er in der EU-Gebäudeeffizienzrichtlinie optional gefordert wird, kann einen wesentlichen Beitrag zur beschleunigten Digitalisierung des Gebäudebestands leisten.

7. Förderbonus für tatsächlich erreichte Emissionsminderungen

Zusätzlich zur bisherigen maßnahmenorientierten Fördermethodik sollte ein weiterer Teil der öffentlichen Fördermittel anhand der tatsächlich nachgewiesenen THG-Emissionsminderungen ausgezahlt werden. Dies kann anhand eines digitalisierten Monitorings geschehen, welches gleichzeitig die Datengrundlage für die kontinuierliche Optimierung der maßnahmenorientierten Förderung darstellt.

8. Fachkräftemangel vermindern und Ressourcenknappheit berücksichtigen

Eine kurzfristige Verdopplung der jährlichen Sanierungsrate von 1 Prozent auf 2 Prozent ist aufgrund der personellen und materiellen Ressourcenknappheit auf dem deutschen Arbeitsmarkt nur schwer umsetzbar. Um die Ziele zu erreichen, sind ressourcensparende Sanierungsverfahren erforderlich, um insbesondere dem Fachkräftemangel und den zunehmend fehlenden Hilfskräften im Baugewerbe begegnen zu können. Des Weiteren ist eine Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsprozesse durch Erhöhung der Digitalisierung und des Personaleinsatzes erforderlich, damit Maßnahmen schneller umgesetzt werden können.

9. Nationale Gebäudedatenbank

Mit der Einrichtung eines nationalen digitalen Gebäuderegisters wird der Energiebedarf und die THG-Emissionen des Gebäudebestands transparent und vergleichbar. Für den Aufbau und die Pflege einer nationalen Gebäudedatenbank können bereits existierende Institutionen wie das Statistische Bundesamt beauftragt werden. 

Fazit

Aus Sicht der Immobilienwirtschaft können mit diesen Punkten gezielt schnell wirkende Maßnahmen in die Wege geleitet werden. Ein effektiver Klimaschutz und ein klimaneutraler Gebäudesektor sind möglich. Wichtig sind aber: Technologieoffenheit und -freiheit. Die Technologieoffenheit ermöglicht den Wettbewerb um die jeweils besten Lösungen bei Neubau und energetischen Modernisierungen im Bestand. Die Technologiefreiheit gibt der Immobilienwirtschaft die Möglichkeit, sinnvolle Maßnahmen im heterogenen Gebäudebestand umzusetzen. Damit können Maßnahmen auf das individuelle Gebäude oder Quartier zugeschnitten werden und zugleich danach ausgewählt werden, wo die höchste Effektivität zur Senkung der THG-Emissionen erzielt wird. Beides zusammen, Technologieoffenheit und -freiheit, sind auch der Schlüssel für bezahlbare Mieten im Wohnungsbereich und bei Wirtschaftsimmobilien nach einer energetischen Modernisierung.

Die Extended Executive Summary [PDF | 3,07 MB] des Gutachtens im Auftrag des ZIA vertieft die hier skizzierten inhaltlichen und methodisch-instrumentellen Maßnahmen.

Der ZIA steht gerne mit seiner praktischen Expertise für Gespräche bereit und unterstützt die neue Bundesregierung bei der Bewältigung der gesamtgesellschaftlichen Aufgabe: Klimaschutz in einer sozial-ökologischen Marktwirtschaft.

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Verantwortung übernehmen (Gutachten) (November 2021) [PDF | 13,98 MB]
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Verantwortung übernehmen (Extended Executive Summary) (November 2021) [PDF | 3,07 MB]
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ZIA-Handlungsempfehlungen zum Gutachten Verantwortung übernehmen [PDF | 164 KB]
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