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Schriftformerfordernis bei Gewerbemietverträgen

Der ZIA ist die Interessenvertretung der gesamten Immobilienwirtschaft und eine Vielzahl unserer Mitgliedsunternehmen, insbesondere Vermieter und Mieter von Gewerbeimmobilien, sind direkt von der bestehenden Regelung des Schriftformerfordernisses in §§ 550, 578 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) betroffen. Die Regelung des § 550 BGB wurde ursprünglich geschaffen, um den Erwerber zu schützen. In der Praxis führt die derzeitige Regelung jedoch entgegen der ursprünglichen Intention des Gesetzgebers zu einer weitverbreiteten Rechtsunsicherheit sowohl beim Mieter als auch Vermieter: Im Vertrauen auf die Langfristigkeit geschlossener Mietverträge wird oft aus nicht schutzwürdigen, einseitigen Motiven gekündigt oder nachverhandelt. Die aktuelle Regelung zur Schriftformkündigung bei Gewerbemietverträgen sollte im Sinne aller Vertragsparteien ersatzlos gestrichen werden und somit die Verweisung in § 578 BGB auf § 550 BGB entfallen.

 

Die Praxisprobleme des Schriftformerfordernisses im Gewerbemietrecht

 

Notwendigkeit einer Neuregelung

Die Regelung des § 550 BGB wurde ursprünglich geschaffen, um den Erwerber zu schützen. Der Erwerber ist durch den in § 566 BGB niedergelegten Grundsatz „Kauf bricht nicht Miete“ an bestehende Mietverträge gebunden, soll aber vor unbekannten (nicht schriftlich fixierten) Vereinbarungen bewahrt werden. Aus unterschiedlichen Gründen hat sich der tatsächliche Anwendungs- und Schutzbereich des § 550 BGB von dem ursprünglichen Gesetzeszweck entfernt: Die Anforderungen an die Einhaltung des Schriftformerfordernisses sind durch die Rechtsprechung wesentlich verschärft worden, vertraglichen Schriftformheilungsklauseln ist durch den Bundesgerichtshof (BGH) in 2017 und 2018 [1] eine endgültige Absage erteilt worden und das Einfallstor der Nicht-Einhaltung des Schriftformerfordernisses ist zu einem gängigen „Kniff“ geworden, um einen unliebsam gewordenen Mietvertrag vorzeitig zu kündigen – je nach wirtschaftlicher Lage zum Nachteil für den Mieter oder den Vermieter.

So kann ein unredlicher Vermieter einen Verstoß gegen das Schriftformerfordernis, welcher sich gerade bei umfänglichen und langjährigen Gewerbemietverträgen mit diversen Nachträgen fast immer finden lässt, nutzen, um einen unliebsamen Mieter zu kündigen oder zu Nachverhandlungen über eine höhere Miete zu zwingen, was den Mieter sogar seine Existenz kosten kann. Andererseits ist auch denkbar, dass ein Mieter die Kündigungsmöglichkeit ausnutzt, um beispielsweise bei sonst drohendem Leerstand den Vermieter zu einer Mietreduzierung zu zwingen. Bereits durch die Androhung der Schriftformkündigung kann im Regelfall erheblicher Druck auf die Gegenseite ausgeübt werden. Im Ergebnis führt die derzeitige Regelung des § 578 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 550 BGB damit entgegen der ursprünglichen Intention des Gesetzgebers zu einer weitverbreiteten Rechtsunsicherheit: Im Vertrauen auf die Langfristigkeit geschlossener Mietverträge wird oft aus nicht schutzwürdigen, einseitigen Motiven gekündigt oder nachverhandelt.

 

Strenge Anforderungen an die Einhaltung des Schriftformerfordernisses: „Grundsatz der Urkundeneinheit“

Die Anforderungen an die Einhaltung des Schriftformerfordernisses in § 550 BGB gehen weit darüber hinaus, dass der schriftlich abgefasste Mietvertrag von den Vertragsparteien lediglich unterzeichnet werden müsste. Aus dem Schriftformerfordernis ist der so genannte „Grundsatz der Urkundeneinheit“ abgeleitet worden. Aus diesem Grundsatz ergibt sich, dass die gesamten wesentlichen Vertragsbedingungen – insbesondere Mietgegenstand, Miete, Vertragsdauer und die Parteien des Mietverhältnisses – in einer Urkunde enthalten sein müssen.[2] Auch wenn der BGH im Zuge seiner „Auflockerungsrechtsprechung“[3] inzwischen nicht mehr eine körperliche Verbindung der Vertragsbestandteile zu einer Urkunde verlangt, sondern auch eine „gedankliche“ Verknüpfung ausreichen lässt, müssen bei Vertragsabschluss wie auch bei nachträglicher Vertragsänderung mögliche Zusätze zum Hauptvertrag hinreichend konkret in Bezug zum Hauptvertrag gesetzt werden.

Der „Grundsatz der Urkundeneinheit“ führt zum einen dazu, dass der Mietvertrag bei Vertragsschluss sämtliche Anlagen (einschließlich etwaiger Anlagen der Anlagen) klar umfassen muss. Zum anderen sind spätere Nachträge oder Ergänzungen des Mietvertrages vom Schriftformerfordernis erfasst. Wenn diese Vertragsbestandteile beispielsweise lediglich als Absprache in einer E-Mail getroffen wurden, bringt dies den gesamten Vertrag zumindest mittelbar in Gefahr. Zwar bleibt der Vertrag weiterhin wirksam. Allerdings gilt dieser nun unbefristet, sodass eine ordentliche Kündigung durch Mieter oder Vermieter nach Ablauf eines Jahres und unter Beachtung der gesetzlichen Fristen einer ordentlichen Kündigung möglich wäre. In der Praxis häufig anzutreffen ist beispielsweise, dass Anlagen von Bauanträgen – die ihrerseits Anlage zum Mietvertrag sind – nicht oder nicht vollständig dem schriftlichen Mietvertrag beigefügt sind oder dass die Anlagen zwar beigefügt sind, in ihnen aber auf sonstige Unterlagen verwiesen wird, die nicht mehr beigefügt wurden, weshalb es an einer Einhaltung des Schriftformerfordernisses mangelt und der Mietvertrag entgegen seiner vereinbarten Laufzeit vorzeitig gekündigt werden kann. Auch kommt es gerade im gewerblich genutzten Bereich oft zu umfänglichen Nachträgen der Nutzung, die entsprechend dem sonst üblichen Geschäftsverkehr per E-Mail zwischen den Parteien vereinbart werden. Ein solcher Fall würde ebenso zu einem Schriftformfehler und einer vorzeitigen Kündigungsmöglichkeit führen.

 

Keine effektiven Heilungsmöglichkeiten bei Schriftformverstoß nach geltendem Recht

Die vorzeitige Beendigung eines befristeten Mietverhältnisses durch eine Schriftformkündigung kann nach geltender Rechtslage nicht durch eine vertragliche Vereinbarung vermieden werden. So gibt es laut BGH weder die Möglichkeit, einem Schriftformverstoß vorzubeugen, noch einen solchen nachträglich zu heilen oder zumindest die Gefahr einer ordentlichen Kündigung auszuschließen.[4] Ebenso wenig kommen alternative rechtliche Lösungen wie die in der Literatur diskutierte „Mieterdienstbarkeit“[5] oder ein Schutz über § 242 BGB für den Kündigungsempfänger in Betracht. Eine Mieterdienstbarkeit würde bloß den Mieter, nicht aber den Vermieter, vor einer Schriftformkündigung schützen.[6] Die Berufung auf Treu und Glauben wird nur in wenigen Einzelfällen einschlägig sein, bei denen beispielsweise eine Partei die andere schuldhaft von einer schriftlichen Vereinbarung abgehalten hat.[7]

1. Schriftformklauseln greifen nicht
Das Ziel einfacher oder doppelter Schriftformklauseln in Formularverträgen, mündliche Abreden zu vermeiden, die zu einem Wegfall der vereinbarten Laufzeit des Mietvertrags führen, kann nicht erreicht werden. Denn der BGH[8] hat entschieden, dass wegen des Vorrangs der Individualabrede im Sinne von § 305b BGB nachträgliche mündliche oder konkludente Individualvereinbarungen auch vor Schriftformklauseln in Formularverträgen über langfristige Gewerbemietverträge vorrangig sind. Da bei Gewerbemietverträgen die Verwendung von Formularverträgen die Regel ist, nützen Schriftformklauseln zur Verhinderung einer Schriftformkündigung also nicht.

2. Schriftformheilungsklauseln
Auch Schriftformheilungsklauseln bieten keine Möglichkeit, Rechtssicherheit im Rahmen von langfristigen Verträgen zu schaffen. Dieses Ergebnis resultiert aus der Rechtsprechung des BGH: Danach sind Schriftformheilungsklauseln mit der Vorschrift des § 550 BGB grundsätzlich unvereinbar und daher unwirksam[9], was die Vertragsparteien daher nicht daran hindern kann, einen Mietvertrag unter Berufung auf einen Schriftformfehler ordentlich zu kündigen. Selbst, wenn eine nachträgliche Heilung durch Abschluss eines den Schriftformmangel heilenden Mietvertragsnachtrags erfolgen könnte, der den Anforderungen der Schriftform genügt, besteht doch in der Praxis die Gefahr, dass sich die Vertragspartei, die sich dieses Schriftformmangels bislang nicht bewusst war, diesen Mangel zum Anlass nehmen könnte, den Mietvertrag zu kündigen oder zumindest unter Drohung der Kündigung im Rahmen der Verhandlungen über den Schriftformmangel heilenden Mietvertragsnachtrag andere Verhandlungspositionen durchzusetzen.

 

Einordnung diskutierter Lösungsansätze

 

Keine Lösung durch Verzicht auf Schriftformerfordernis nur bei Vertragsänderungen

Mitunter wird als Lösung diskutiert, dass bei der Streichung des Schriftformerfordernisses zwischen dem Abschluss eines Mietvertrages und seiner späteren Änderung differenziert werden und das Schriftformerfordernis nur bei Änderungen nicht mehr gelten solle.[10]

Diese Lösung stellt jedoch keinen geeigneten Ansatz dar: Bei der Vermietung vom Reißbrett, wenn also ein Mietvertrag über Gewerberäume in einem noch zu errichtenden Mietobjekt abgeschlossen wird, entstehen in der Praxis bei Vertragsabschluss Schriftformprobleme, die zu einer vorzeitigen Beendigung des ganzen Vertrages führen können. Denn dabei wird der konkrete Umfang des Mietobjekts regelmäßig erst während der Bauphase gemeinsam von den Parteien definiert, was meistens in Baubesprechungen erfolgt und durch Besprechungsprotokolle festgehalten wird, die aber weder den Anforderungen an die Schriftform genügen noch im Übrigen denen der Textform. Weitere Schriftformprobleme kommen außerdem häufig beim Abschluss von Mietverträgen mit mehreren oder komplexen Anlagen vor. Die fehlerhafte Bezugnahme bei nur einer Anlage führt dazu, dass der gesamte Mietvertrag aufgrund des „Grundsatzes der Urkundeneinheit“ gegen die Schriftform verstößt und damit einer „vertragsmüden“ Partei weit vor dem eigentlich vereinbarten Vertragsende ein Kündigungsrecht eingeräumt wird.

Auch bei Vermietungen in Bestandsobjekten gibt es immer wieder Unklarheiten beispielsweise über Nebenflächen, also Freiflächen, Stellplätze oder zur anteiligen Nutzung mitvermietete Gemeinschaftsflächen, deren vorzeitige Festlegung bei Abschluss des Vertrages von den Parteien zunächst als zu unwesentlich aufgefasst werden. Nach der Rechtsprechung können allerdings je nach Mietzweck gerade solche Nebenflächen zu den wesentlichen Inhalten eines Mietvertrages gehören.[11] Die Folge ist das altbekannte Schriftformproblem. Außerdem weist die Judikatur des BGH auch auf weitere Schriftformprobleme beim Abschluss gewerbemietrechtlicher Verträge hin, wenn z.B. aus dem Vertrag nicht klar hervorgeht, wen der Unterzeichner vertreten wollte (Erbengemeinschaften, Gesellschaften bürgerlichen Rechts, mehrköpfiges Vertretungsorgan einer Kapitalgesellschaft etc.).[12]

Hinter den Praxisproblemen mit der Schriftform beim Abschluss der Gewerbemietverträge steht der „Grundsatz der Urkundeneinheit“, dessen strenge Voraussetzungen das eigentlich mit dem Schriftformerfordernis verfolgte Ziel des Erwerberschutzes somit auch weiterhin behindern. Der Erwerber eines Grundstücks wäre nach wie vor mit einer großen Rechtsunsicherheit angesichts potenzieller Schriftformkündigungen konfrontiert, da ein unredlicher Mieter die Schriftformkündigung immer noch ausnutzen könnte, um sich von einem lästig gewordenen Mietvertrag zu befreien oder mit einem drohenden Leerstand Druck auf den Vermieter bzw. Erwerber auszuüben.

Eine Begrenzung auf die Streichung des Schriftformerfordernisses auf Änderungsverträge führt somit zu keiner Erleichterung bzw. Herstellung von Rechtssicherheit. Nur die vollständige Streichung kann die in der Praxis bestehenden Rechtsunsicherheiten wirksam lösen, da vor allem Schriftformprobleme auch beim Abschluss des Ursprungsvertrages von Gewerbemietraumverträgen bestehen. Auch liegt dem Schriftformerfordernis gerade keine Warn- und Beweisfunktion inne, welche oftmals als Grund für die Notwendigkeit des Schriftformerfordernisses bei Vertragsabschlüssen herangezogen wird. Eine derartige Lesart des § 550 BGB ist unserer Meinung nach höchst zweifelhaft und dem Zweck dieser Vorschrift nicht zu unterstellen.

 

Keine Lösung durch Textform anstelle von Schriftform

Weiterhin wird auch die Ersetzung des Schriftformerfordernisses durch die Textform diskutiert.[13]

Auch die alternative Einführung der Textform brächte jedoch keine ausreichende Erleichterung für die Praxis. Denn auch die Textform bezieht sämtliche wesentliche Inhalte vollständig mit ein – hier ist nach unserer Einschätzung entscheidend, dass auch für die Textform der „Grundsatz der Urkundeneinheit“ gilt. Zwar wird der „Grundsatz der Urkundeneinheit“ bisher aus der Schriftform nach § 126 BGB abgeleitet. Hierfür spricht auch der gesetzliche Wortlaut, nach dem die Unterzeichnung durch die Vertragsparteien „auf derselben Urkunde“ zu erfolgen hat.[14] Dies ließe den Schluss zu, dass die Ersetzung der Schriftform durch die Textform zugleich den „Grundsatz der Urkundeneinheit“ unanwendbar macht, da § 126b BGB eine solche Regelung gerade nicht enthält. Schließlich werden an die Textform die geringsten Anforderungen aller Formvorschriften gestellt, weshalb sie auch keine Warn- und Beweisfunktion erfüllen könne.[15]

Aus unserer Sicht ist diese Deutung jedoch zu kurz gedacht. Denn bei der Textform stellen sich letztlich dieselben Fragen wie bei der Schriftform: Zwar ist nicht mehr von einer „Urkunde“ die Rede, dafür aber von einer „lesbaren Erklärung auf einem dauerhaften Datenträger“. Für die Übertragung des „Grundsatzes der Urkundeneinheit“ auf die Textform könnte nämlich der Sinn und Zweck der Textform sprechen, den wesentlichen Inhalt der rechtsgeschäftlichen Erklärung verkörpert festzuhalten, um der Dokumentations- und Informationsfunktion zu entsprechen.[16] Für die Vertragsparteien muss also klar sein, ob die Erklärung vollständig ist[17], was mit einem räumlichen Abschluss des Dokuments einhergeht.[18] Wird in einem Vertrag auf Anlagen mit wesentlichem Inhalt verwiesen (z.B. einen Lageplan, der den Mietgegenstand definiert), werden diese Anlagen Bestandteil des Vertrages, so dass der Vertrag insgesamt erst dann als vollständig gilt, wenn alle Anlagen im Gesamten vorliegen.[19]

Das Vorschreiben der Textform bei einem (zweiseitigen) Vertragsschluss ist außerdem ein vergleichsweise seltenes Phänomen, was der Rechtsprechung einen großen Spielraum bei der Auslegung der Norm gibt. § 126b BGB schreibt seinem Wortlaut nach lediglich vor, welche Anforderungen die einzelnen (Willens)Erklärungen erfüllen müssen, um der Textform zu genügen. Dies passt zur Entstehungsgeschichte der Norm, die zunächst vornehmlich auf einseitige Erklärungen Anwendung fand. § 126b BGB trifft dagegen keine Regelungen dafür, wie ein (zweiseitiger) Vertragsschluss unter der Wahrung der Textform zu erfolgen hat. Bezüglich der äußeren Form eines solchen Vertragsschlusses und insbesondere bezüglich der Frage, ob es dafür eines „einheitlichen“ Dokuments bedarf, gibt es noch keine Rechtsprechung. Diese Ausgangslage verstärkt die Unsicherheit bezüglich der Frage, welche Anforderungen die Rechtsprechung an einen formgerechten Vertrag stellen wird. Vor dem Hintergrund des verfolgten Zwecks des Erwerberschutzes würde dies der Rechtsprechung die Möglichkeit eröffnen, einen ähnlichen Grundsatz wie den „Grundsatz der Urkundeneinheit“ zu entwickeln.

Zwar lässt sich für uns nicht abschließend zweifelsfrei feststellen, ob der „Grundsatz der Urkundeneinheit“ auch bei der Textform Anwendung findet, jedoch sprechen die vorgenannten Gründe dafür, dass den Parteien auch weiterhin alle vertragswesentlichen Dokumente inklusive der Anlagen von Anlagen und entsprechenden Verweisen zur Kenntnis gelangen müssen. Deshalb ist davon auszugehen, dass ein Erwerber auch unter der Geltung der Textform für vertragliche Änderungen in der Lage sein muss, die Vollständigkeit der geltenden Gewerbemietverträge erfassen zu können.

Im Ergebnis spricht somit der Sinn und Zweck der Textform, den wesentlichen Inhalt der rechtsgeschäftlichen Erklärung verkörpert festzuhalten, um der Dokumentations- und Informationsfunktion zu entsprechen, für die Übertragung des „Grundsatzes der Urkundeneinheit“. Durch die Einführung der Textform wären somit die in der Praxis hauptsächlichen Probleme hinsichtlich fehlerhafter oder unvollständiger Anlagen und Zusätze nicht gelöst.

 

Lösung: Ersatzlose Streichung des Schriftformerfordernisses im Gewerbemietrecht

 

Aus den vorgenannten Überlegungen zeigt sich, wie wichtig eine gesetzliche Änderung und Anpassung des Schriftformerfordernis für Gewerbemietverträge ist. Nur hierdurch kann wieder mehr Rechtssicherheit in langfristigen, besonders vertrauensbedürftigen Mietangelegenheiten geschaffen werden. Um die in der Praxis bestehende Rechtsunsicherheit zu lösen, sollte die aktuelle Regelung zur Schriftformkündigung bei Gewerbemietverträgen ersatzlos gestrichen werden und somit die Verweisung in § 578 BGB auf § 550 BGB entfallen. Hierdurch wäre eine klare Regelung für den Abschluss und die Änderung von Gewerbemietverträgen geschaffen und die missbräuchliche Anwendung von Schriftformkündigungen beendet.

Ein tatsächlicher Dokumentations- und Informationsverlust im Sinne des Erwerberschutzes ist nicht zu befürchten, da in der Praxis die schriftliche Abfassung von Mietverträgen und Nachträgen üblich ist und es auch bleiben wird. Das Schriftformerfordernis als solches wird damit regelmäßig gar nicht von Nöten sein. Die schriftliche Abfassung wird schon aus steuerlichen und buchhalterischen Gründen erforderlich sein. Zudem haben die Parteien ein Interesse daran, durch eine schriftliche Fixierung selbst für Beweisbarkeit und damit Rechtssicherheit zu sorgen. Denn inzwischen ist bei Veräußerungen gewerblicher Immobilien eine umfassende Prüfung der bestehenden Mietverträge durch einen Erwerber im Rahmen einer sog. Due Diligence durchaus üblich. Gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG, § 43 Abs. 1 GmbHG sind die Verantwortlichen eines Unternehmens vor einer Ankaufsentscheidung sogar verpflichtet, das Kaufobjekt umfassend zu prüfen und die Kaufentscheidung sorgfältig vorzubereiten, um die damit verbundenen Risiken zu begrenzen. Unternehmen, deren Geschäftsleitungen gegen diese Sorgfaltspflichten verstoßen, sind nicht schutzwürdig.

Hinzu kommt, dass in der heutigen Praxis Grundstückskaufverträge über gewerbliche Immobilien regelmäßig umfassende Garantien oder Gewährleistungen bezüglich der bestehenden Mietverträge enthalten. Denn der Wert einer Immobilie wird in der Regel auf der Basis der vereinbarten Mietverträge und der daraus fließenden Mieten ermittelt. Stellt sich eine solche vertragliche Zusicherung des Verkäufers als falsch heraus, haftet dieser gegenüber dem Käufer auf Schadensersatz. Aus diesem Grund kennt der Erwerber in der Praxis zum Zeitpunkt seiner Ankaufsentscheidung meist die wesentlichen Vertragsgrundlagen der bestehenden Mietverträge im Detail bzw. hat regelmäßig Gelegenheit, diese vom Verkäufer in Erfahrung zu bringen. Auch aus diesem Grunde bedarf es daher nicht mehr eines besonderen verstärkten Erwerberschutzes. Das Problem des Erwerberschutzes kann auf der Ebene kaufvertraglicher Regelungen ohne weiteres gelöst werden.

Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass die Änderung Verträge über Grundstücke und über Räume, die keine Wohnräume sind, betrifft. Auswirkungen auf Wohnraummietverträge entstehen nicht.

________________________
[1] BGH, NZM 2018, 515; BGH, NZM 2018, 38.
[2] BGH, NJW-RR 2021, 801.
[3] BGH, NJW-RR 2021, 801.
[4] Vgl. Günter, NZM 2019, 561, 567 m.w.N.
[5] Krüger, NZM 2018, 42.
[6] Ebd.
[7] BGH NJW 2004, 2102 Rn. 27 m.w.N.
[8] BGH NJW 2006, 138 f.; BGH NJW 2017, 1017 Rn. 16.
[9] BGH NZM 2018, 515; BGH NZM 2018, 38; BGH NJW 2017, Rn. 3772.
[10] Diskussionsentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz, Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Schriftformerfordernisses im Gewerbemietrecht, Stand: 12. März 2021.
[11] OLG Rostock NJW 2009, 445; OLG Frankfurt a.M. BeckRS 2018, 47849.
[12] BGH DStR 2010, 282; BGH NJW 2020, 1507, 1511.
[13] Vgl. Diskussionsentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz, Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Schriftformerfordernisses im Gewerbemietrecht, Stand: 12. März 2021.
[14] Siehe § 126 Abs. 2 BGB.
[15] Staudinger, BGB, § 126b, Rn. 1.
[16] Münchner Kommentar, § 126b, Rn. 9.
[17] Ebd.
[18] Vgl. Staudinger, BGB, § 126b, Rn. 29; BeckOK, BGB, § 126b, Rn. 7, 28.
[19] Vgl. Börstinghaus, Miethöhe-Handbuch, Rn. 55.

 

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Torsten Labetzki

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Abteilungsleiter Recht und Steuern

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Positionen und Stellungnahmen
ZIA_Positionspapier_Schriftformerfordernis im Gewerbemietraumrecht [PDF | 216 KB]
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ZIA_Stellungnahme_Entwurf BEG IV [PDF | 257 KB]
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ZIA-Stellungnahme zum Diskussionsentwurf zur Neuregelung des Schriftformerfordernisses (21.1.2022) [PDF | 320 KB]
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Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Schriftformerfordernisses im Gewerbemietrecht [PDF | 110 KB]
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ZIA-Stellungnahme zum Regierungsentwurf eines Vierten Bürokratieentlastungsgesetzes [PDF | 285 KB]
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