Rückschlag für Immobilienwirtschaft: ZIA-IW-Stimmungsindex sinkt / ZIA-Präsidentin Schöberl: „Keine Zeit für politische Spielchen“
- Bewertung der Geschäftslage geht von 15,6 auf 2,0 Punkte zurück
- Unternehmer erwarten zugleich Aufwärtstrend in nächster Zeit
- ZIA-Präsidentin: „Diese positive Erwartung ist ein Vertrauensvorschuss“
- Michael Voigtländer: „Es braucht weitere Impulse“
Berlin, 20.9.2024 – Die Immobilienwirtschaft erlebt einen herben Stimmungsrückschlag. Die Herbstbefragung des ZIA-IW-Immobilienstimmungsindexes (ISI) belegt eine schlechtere Bewertung der Geschäftslage als im zweiten Quartal – der Wert sank nun von 15,6 auf 2,0 Punkte. Zugleich rechnen viele Unternehmer mit Verbesserungen in den nächsten zwölf Monaten: Die Erwartungen haben sich von 11,5 auf 19,3 verbessert. Das Immobilienklima sinkt insgesamt von 13,6 auf 10,5 Punkte.
„Diese Zahlen zeigen, dass der Aufwärtstrend der Immobilienwirtschaft kein Selbstläufer ist. Deutschland muss sich ökonomisch stärker für Rückschläge wappnen“, sagt ZIA-Präsidentin Iris Schöberl. Die Bewertung der aktuellen Geschäftslage liege „leider im Trend einer Reihe von schlechten Nachrichten, wie sie zuletzt auch vom BDI gekommen sind“. Deshalb sei „keine Zeit für politische Spielchen“ von Bundesregierung oder Opposition. „Die positiven Erwartungen vieler Unternehmer, die gerade jetzt mit einem Aufwärts-Trend rechnen, sind ein Vertrauensvorschuss für die Politik.“
Von weiteren Freiräumen im Baugesetzbuch, einer Vereinfachung der Pflichten zur Nachhaltigkeitsberichterstattung sowie niedrigeren Grunderwerbsteuern verspricht sich die Immobilienwirtschaft wichtige Impulse.
Für Flüchtlingsunterkünfte wurden 2015 zusätzliche Freiräume im Paragrafen 246 des Baugesetzbuchs geschaffen. „Es ist gut, dass die Bundesregierung erkannt hat, dass es jetzt solche Erleichterungen auch beim Wohnungsbau braucht“, so Schöberl. „Umso enttäuschter sind wir, dass diese Freiräume nur zeitlich begrenzt und auch nur für angespannte Wohnlagen gelten sollen – da müssen die Abgeordneten jetzt in den Beratungen für das Baugesetzbuch noch mal ran.“
Der Bund, Länder und Kommunen grenzen durch Steuern und Auflagen den Spielraum der Branche ein. „Diese ,Staatsquote‘ von etwa 37 Prozent zurück zu fahren, ist der Kernjob, wenn Bauen und Investieren wieder auf Touren kommen sollen“, sagt Schöberl.
In der Sonderfrage der Erhebung geht es um Nachhaltigkeitsberichterstattung. Knapp 25 Prozent der befragten Immobilienunternehmen sind bereits für das laufende Geschäftsjahr berichtspflichtig, ein weiteres Fünftel wird es in den kommenden Jahren, weitere 27,7 Prozent erstellen freiwillig einen Bericht. Die größten Probleme sehen die Unternehmen in mangelnder Verfügbarkeit von Daten und Informationen bei den Partnern (43 Prozent) sowie in unklaren und uneinheitlichen Prüfstandards (40 Prozent). Weitere 38 Prozent der Befragten bewerten den Kostenaufwand kritisch.
Prof. Dr. Michael Voigtländer, Leiter Internationale Wirtschaftspolitik, Finanz- und Immobilienmärkte beim IW, kommentiert den Stimmungsindex: „Der erneute Einbruch bei Projektentwicklern verdeutlicht, dass die Krise keineswegs vorbei ist. Es braucht weitere Impulse, um die Auftragslage zu stabilisieren.“
Die Ergebnisse der Gebäudeklassen im Einzelnen:
- Im Bürosektor gibt es im dritten Quartal nach mehreren Plusrunden bei der Einschätzung der Geschäftslage einen Rückgang, und zwar um 10,6 auf einen Wert von 6,3 Punkten. Auch die Erwartungen haben sich leicht eingetrübt auf 12,7 Punkte (-0,9 Punkte). Das Immobilienklima sinkt so um 5,8 auf 9,5 Punkte. Mittlerweile drückt die schwierige Konjunktur auch auf Beschäftigung und Investitionsbereitschaft.
- Im Handelsimmobiliensektor gibt es extreme Stimmungsschwankungen. Der zuletzt sehr starke Zuwachs bei der Bewertung der Geschäftslage wurde nun durch einen drastischen Rückgang revidiert. Der Wert sinkt um 59,3 Punkte auf -7,2 Punkte. Die Erwartungen steigen auf 14,3 Punkte (+14,3). Die gesamtwirtschaftliche Eintrübung trifft den Einzelhandelsmarkt besonders, weil auch ein Rückgang der Konsumausgaben befürchtet wird.
- Bei den Wohnimmobilien verschlechtert sich die Beurteilung der Geschäftslage um 12,6 Punkte auf nun 20,8. Zugleich sind die Erwartungen kräftig gestiegen auf 20,8 Punkte (+20,8). Insgesamt ist damit das Immobilienklima im Wohnsegment (ebenfalls 20,8 Punkte) seit dem vierten Quartal 2022 kontinuierlich gestiegen. Die Erwartungen niedrigerer Zinsen könnten die positiveren Einschätzungen verstärken.
- Für die Projektentwicklung trübt sich die Geschäftslage weiter ein. Die Lage wird nur noch mit einem Wert von -46,9 Punkten bewertet – ein Minus von 18,4 gegenüber dem Vorquartal. Auch die Erwartungen sind gesunken, und zwar auf einen Wert von 42,9 Punkten gesunken (-14,3. Das Immobilienklima liegt damit wieder tief im Minus (-7,2 Punkte). Tatsächlich entwickelt sich die Neubaunachfrage weiterhin schleppend, der dringend notwendige Aufschwung bleibt noch aus.
Details zum Stimmungsindex finden Sie hier: ZIA/IW-Stimmungsindex
Hintergrund: Der Immobilienstimmungsindex wird vom Institut der deutschen Wirtschaft IW seit 2020 in Kooperation mit dem Zentralen Immobilien Ausschuss (ZIA) erstellt. Ziel ist es, zeitnahe Informationen über die Lage sowie die Erwartungen von Immobilieninvestoren und Projektentwicklern zu gewinnen und so die Transparenz auf dem Markt weiter zu verbessern. Die Befragung findet jedes Quartal statt.