Konzertierte Aktion Wohnen
Was es jetzt braucht, um den Wohnungsbau
endlich wieder anzukurbeln
© pexels.com/Aleksandar Pasaric
Mit Steuern Wohnungsbau steuern ist möglich –
genauer: es wäre möglich, wenn …
Mathematik ist im Kern eine zeitlose Sache. Der Vor-Vor-Vor-Vorgänger von Bundesfinanzminister Christina Lindner, Peer Steinbrück, hat einmal die Weisheit geprägt: „Besser 25 Prozent von x als 42 Prozent von nix.” Dass die Grundlogik dieses Rechenmodell im Kern bis heute gültig ist, konnten seine Länderkollegen in den letzten Monaten schmerzhaft erfahren.
Allein in den ersten vier Monaten dieses Jahres, von Januar bis April, ging in Deutschland das Aufkommen der Grunderwerbsteuer um 33,6 Prozent auf 4,266 Milliarden Euro zurück. Im Jahr zuvor waren es 6.429 Milliarden gewesen. Der Monatsbericht des Bundesfinanzministeriums zu den Steuereinnahmen und dem konjunkturellen Umfeld belegt die alarmierende Entwicklung.
Die Grunderwerbsteuereinnnahmen von Januar bis April lagen bei 4,3 Milliarden Euro. Das ist ein Minus von 33,6 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum.
- 5,74 Mrd. Euro Januar bis April 2022
- 4,3 Mrd. Euro Januar bis April 2023
„Das gibt uns eine Ahnung, welch gravierende Lücken der drastische Rückgang beim Wohnungsbau bald gesamtwirtschaftlich reißen wird“, kommentiert ZIA-Präsident Dr. Andreas Mattner die Zahlen. Der ZIA erwartet eine Fortsetzung des Abwärtstrends.
„Geht der Wohnungsbau tatsächlich bald gegen null, dann gibt es keine Investitionen, an denen der Staat durch Steuern partizipieren kann“, warnt Mattner – sozusagen frei nach Steinbrück. Und darum geht es bei alledem: „Gleichzeitig rücken neue Wohnungen in immer weitere Ferne.“ Und das betrifft etwa 1,4 Millionen Menschen, die bis 2025 keine Wohnung finden.
2025 könnten 1,4 Millionen Menschen keine Wohnung haben
Wer sich auf die Suche macht, weshalb der Wohnungsbau in Deutschland immer dramatischer ins Stocken gerät, entdeckt bald Bund, Länder und Kommunen, die staatlichen Stellen, als wichtige Verursacher. Die „Staatsquote“ am Gut Wohnen liegt nach ZIA-Taxierungen bei 37 Prozent – weit mehr als ein Drittel der Gesamtausgaben werden vom Staat selbst unmittelbar, durch Finanzlasten, oder mittelbar, durch hohe Auflagen, verursacht. Angesichts ohnehin dramatischer Zins- und Kostensteigerungen verstärken hohe Steuerlasten wie bei der Grunderwerbsteuer den Abschreckungseffekt für Investoren zusätzlich.
Dabei erweist sich für die Strateginnen und Strategen in den Staatskanzleien das Kalkül, mit hohen Grunderwerbsteuern von bis zu 6,5 Prozent hohe Einnahmen zu erzielen, in dieser Lage zunehmend als Milchmädchenrechnung (oder eben: Milchbubirechnung).
Bis zu 6,5 Prozent beträgt der Grunderwerbssteuersatz
Derweil werden Investoren im Alltag mehr und mehr zu Investoren in Ruhestellung. In unfreiwilliger Ruhestellung, wohlgemerkt. Denn wenn Wohnungsbaurenditen bei zwei bis drei Prozent stehen, die Kreditzinsen aber bei vier Prozent, lohnt sich das Ganze für sie nicht mehr. Deshalb braucht es radikale Veränderungen der Rahmenbedingungen. Auch der Staat selbst zahlt mittlerweile buchstäblich den Preis für das Nein zu Investitionen.
Der ZIA schlägt daher den Ländern vor, bis 2025 die Grunderwerbsteuer für Wohnimmobilien generell und ohne Einschränkungen auf 3,5 Prozent zu senken oder ganz fallen zu lassen. Hintergrund: In der „Historie der Grunderwerbsteuer“ galt lange Zeit ein einheitlicher Satz von 3,5 Prozent – der ist aber längst zur allgemeinen Finanzierung der Kommunen auf Werte bis zu 6,5 Prozent geklettert.
„Die Länder müssen ihre Grunderwerbsteuer-Sätze deutlich zurückfahren und Kommunen Gewinnabschöpfungsmodelle ad acta legen“, fordert Mattner. Und: „Ein großvolumiges Kreditprogramm des Bundes mit einem Zinssatz von zwei Prozent wäre jetzt ein ganz wichtiges Signal. Denn nicht nur bei der Grunderwerb-, sondern auch bei der Umsatzsteuer, die durch Bautätigkeit anfällt, rauschen die Einnahmen in den Keller.“ Das übergeordnete Ziel dieser Forderungen: Die Immobilienwirtschaft muss wieder in die Lage versetzt werden, selbst die Initiative zu ergreifen und aktiv zu werden.
Dabei bietet nicht alles, was verheißungsvoll klingt, bei genauerem Hinhören Lösungen.
So sind Gedankenspiele, die unter dem Stichwort „Absenken der Grunderwerbsteuer“ in einigen Bundesländern gerade Konjunktur haben, etwas genauer zu analysieren. Denn wer überfällige Entlastungen bei der Grunderwerbsteuer nur für selbstgenutztes Wohneigentum plant, klammert genau die Branche aus, die eine so dringend benötigte große Veränderung anstoßen könnte – die Immobilienwirtschaft. Und das bedeutet: Heerscharen von Mieterinnen und Mietern, die darauf hoffen, dass von Investoren-Seite der große Schub gestartet wird, der ihnen wieder realistisch Hoffnung auf Besserung am Wohnungsmarkt vermittelt, hoffen dann wohl vergeblich.
Wer den großen Push auslösen will, muss die starken Kräfte in die Lage versetzen, ihre Stärke überhaupt zu entfalten, um dem Ziel „Mehr bezahlbaren Wohnraum für die breite Bevölkerung“ näher zu kommen. Ohne die Immobilienwirtschaft läuft hier wenig.
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Rückgang der Baugenehmigungen
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