Konzertierte Aktion Wohnen
Was es jetzt braucht, um den Wohnungsbau
endlich wieder anzukurbeln
© pexels.com/Aleksandar Pasaric
Wie groß ist das Problem, wo sind die Hebel?
Das Ziel der Bundesregierung können selbst Menschen im Land, die wenig mit Wohnungsbau zu tun haben, lässig referieren, wenn sie aus dem Tiefschlaf gerissen werden: „400.000 neue Wohnungen pro Jahr“. Der Blick auf den Ertrag im vorigen Jahr fällt allerdings so ernüchternd aus, dass es einen ganz um den Schlaf bringen kann. Tatsächlich gebaut wurden 295.300 – also 104.700 weniger als angestrebt. Und: 2023 droht ein Gap von 400.000. Für 2025 ist eine weitere Zuspitzung absehbar: Auf bis zu 700.000 könnte die Lücke wachsen. Insgesamt fehlten dann Wohnungsbestände fast in der Größenordnung von Bremen plus Saarland – das wären 1,4 Millionen Menschen, die suchen und nicht finden. So hat die Immobilienwirtschaft bei der Vorstellung des Frühjahrsgutachtens der Wirtschaftsweisen taxiert, gestützt auf Daten von Empirica und Pestel Institut.
Was tun? Abwarten ist definitiv keine Option. Denn hinter den kühlen Zahlen stehen unzählige Biografien, die viel entspannter und gesicherter verlaufen könnten, wenn, ja, wenn es mehr bezahlbaren klimagerechten Wohnraum gäbe.
Wichtiger noch: In Zeiten, in denen mehr als eine Million Geflüchtete aus der Ukraine in Deutschland Schutz suchen, wären eine Zuspitzung der Lage und ein aufgeheizter Kampf um ohnehin kaum verfügbaren Wohnraum hochriskant.
„Wir müssen alles tun, um eine verschärfte Konkurrenz um Wohnraum zu verhindern, weil ansonsten auch die Stabilität der Gesellschaft insgesamt gefährdet wird“, warnt ZIA-Präsident Andreas Mattner.
Es braucht also den geballten Willen zum starken Kraftakt. Mehr noch: Die, die diesen Willen oft und gern öffentlich bekunden, müssen Taten folgen lassen.
Die unterschätzten Bremsen oder: Wenn der Staat selbst zum Kostentreiber wird
Der Staat – Bund, Länder und Kommunen – sind deshalb mehr denn je in der Pflicht. Es gibt die Inflation, es gibt die stetig steigenden Zinsen, deren Dynamik nur langsam abnimmt – diese Entwicklungen sind angesichts der international angespannten Lage extrem schwer zu beeinflussen. Doch es gibt eben auch noch jene Kosten, die keineswegs ohne weiteres in der Rubrik „unabänderlich“ abgelegt werden können.
Wir müssen alles tun, um eine verschärfte Konkurrenz um Wohnraum zu verhindern, weil ansonsten auch die Stabilität der Gesellschaft insgesamt gefährdet wird.
Der Staat selbst ist ein Kostentreiber. Immer höhere finanzielle Belastungen durch Steuern, Abgaben und staatliche Auflagen verteuern den Neubau massiv. Diese „Staatsquote“ beträgt mittlerweile etwa 37 Prozent der gesamten Baukosten.
Die Berechnung stützt sich auf Daten der Baufortschrittsberichte Nr. 67 (2015) und Nr. 86 (2023) der ARGE Kiel.
Das Erstaunen war groß, als ZIA-Präsident Andreas Mattner vor einigen Wochen erstmals darauf hinwies, welchen Anteil der Staat selbst – direkt oder indirekt – an den immens hohen Kosten beim Wohnungsbau hat. „37 Prozent? Das kann doch wohl nicht wahr sein“, war eine der häufigsten Reaktionen. Nur leider ist genau das wahr. Und das Echo hat sich ein bisschen gewandelt. Von „Das kann doch wohl nicht wahr sein“ zu „Das darf doch wohl nicht wahr sein.“ Daher bleibt die Botschaft, die der ZIA Anfang Mai in einer Pressekonferenz platziert hat, genau da, wo sie hingehört: mitten in der öffentlichen Debatte.
„Konzertierte Aktion Wohnen“ soll die starken Kräfte freisetzen
An die nüchternen Zahlen kann man sich gewöhnen. An Menschen, die verzweifelt nach Wohnraum suchen, gewöhnt man sich besser nicht. Denn die verfehlte 400.00-Schwelle und der ständig steigende Mangel haben konkrete Folgen.
Da sind Familien, die in Mini-Wohnungen zusammenhocken müssen, die so gar nicht mehr zur Größe der Familie passen. Da sind Paare, die den Alltag getrennt verbringen, weil sie auch nach zweijähriger Suche keine akzeptable Wohnung für die gemeinsame Zukunft finden. Da sind Rentnerinnen und Rentner, die in veralteten Hüttchen leben, weil die moderne stadtnahe Wohnung nicht zu haben ist. Da sind Studentinnen und Studenten, die unfreiwillig länger bei Vati und Mutti bleiben, weil sie nicht zu den wenigen Glücklichen gehören, die eine bezahlbare Wohnung ergattern.
Mit der „Konzertierten Aktion Wohnen: Was es jetzt braucht, um den Wohnungsbau endlich wieder anzukurbeln“ will der ZIA Zeichen setzen. Die Immobilienwirtschaft ist bereit zum großen Kraftakt. Man sollte ihr den Freiraum geben, diese Kraft jetzt ungebremst zu entfalten: Diejenigen, die wollen, sollte man lassen. Wie genau das geht? Fortsetzung folgt.
- Ziel der Bundesregierung: 400.000 Wohnungen pro Jahr zu bauen. Lücke von 104.700 Wohungen (2022) 74%
- Rückgang der Baugenehmigungen: 26 Prozent weniger als ein Jahr zuvor (Mai 2023) 26%
%
Rückgang der Baugenehmigungen
%