
Öffnungsklausel: Ländermodelle
Die Reform der Grundsteuer ist in ihre entscheidende Phase getreten. Der Bund hat bereits Ende 2019 ein Grundsteuergesetz erlassen. Den Gang des Reformprozesses können Sie hier nachlesen. Nun wollen mehrere Bundesländer die ebenfalls reformierte Kompetenzordnung des Grundgesetzes nutzen, um ein eigenes Grundsteuergesetz an die Stelle des Bundesgesetzes zu setzen.
Verfassungsrechtliches Gutachten von Prof. Dr. Gregor Kirchhof zur Grundsteuerreform
Der Reformwille der Länder hängt mit zwei schwerwiegenden Mängeln des Bundesgesetzes zusammen. Zu diesem Schluss kommt Prof. Dr. Gregor Kirchhof in seinem aktuellen Gutachten. Das Bundesgesetz ist – erstens – sehr kompliziert und streitanfällig. Es würde einen immensen Aufwand bei den Steuerpflichtigen, dem Fiskus und den Finanzgerichten bewirken. Zweitens verletzt das Grundsteuermodell des Bundes das Grundgesetz. Die Verfassung fordert, den Belastungsgrund der Grundsteuer klar zu regeln, also festzulegen, warum eine bestimmte Steuer von wem entrichtet werden muss. Aus diesem Belastungsgrund ist die Abgabe sodann gleichheitsgerecht und folgerichtig zu bemessen. Der Belastungsgrund der Grundsteuer ist im Bundesmodell nicht in hinreichender Klarheit erkennbar. In dieser Unsicherheit nutzt das Bundesgesetz für die steuerliche Bewertung von Grund und Boden sehr unterschiedliche Parameter, die nicht in ein folgerichtiges System gebracht werden. Es kommt zu erheblichen und inkonsistenten Belastungsunterschieden. Der Gleichheitssatz wird verletzt. Die Länder müssen daher nach Auffassung von Prof. Dr. Gregor Kirchhof eigene Grundsteuergesetze erlassen, soll die Grundsteuer als finanzielle Lebensader der Gemeinden nicht versiegen.
Die neuen Grundsteuergesetze der Länder sollten dabei den Befolgungsaufwand möglichst gering halten. Die Grundsteuer sollte als allgemeine Äquivalenzabgabe begründet und bemessen werden. Die Kommunen erhalten die Steuer dann für die nicht individualisierbaren Leistungen, die dem Grundbesitz zugutekommen, für Straßen, Kindergärten und Schulen, für Grünanlagen, Spielplätze, Kultur- und Sportstätten.
Bei dem unter anderem erwogenen reinen Bodenwertmodell würde die Grundsteuer nur nach dem Wert der Grundstücke bemessen. Gebäude würden von der Steuer nicht erfasst und müssten daher auch nicht bewertet werden. Für unbebaute und vergleichbare bebaute Grundstücke wäre die Grundsteuerlast folglich gleich hoch. So sollen Grundbesitzer zum Bau einer Immobilie bewegt werden. Diese Lenkungssteuer kann zu sozialen Verwerfungen führen. Zudem wäre der Lenkungszweck von vornherein zweifelhaft, weil er nur in Regionen mit Wohnungsmangel erwünscht wäre, in anderen Gebieten hingegen nicht. Insbesondere aber verletzt die Bodenwertsteuer den Gleichheitssatz. Die Ebene der steuerlichen Bewertung darf nach den klaren Worten des Bundesverfassungsgerichts nicht für eine steuerliche Lenkung genutzt werden.
Das vom Freistaat Bayern favorisierte Flächenmodell wahrt die Vorgaben des Grundgesetzes in einem einfachen Bewertungssystem. Der Befolgungsaufwand wäre gering. Das Flächenmodell sollte aber – wie beispielsweise im niedersächsischen Flächen-Lage-Modell erwogen – um einen pauschalen Regionalwert ergänzt werden. Dieser Vorschlag nimmt den Einwand auf, das Flächenmodell erhebe für Hausgrundstücke derselben Größe dieselbe Grundsteuer, obwohl sich ihre Lage deutlich unterscheidet. Der pauschale Regionalwert schärft zudem das Äquivalenzprinzip und damit den Belastungsgrund der Grundsteuer. Die kommunalen Leistungen hängen auch vom Ort des Grundbesitzes ab, wenn ein Wohngebiet von einem Spielplatz, einem Park, zahlreichen Parkplätzen oder auch nur einer großzügigen Bebauung profitiert.
Das vollständige Gutachten finden Sie unter diesem Artikel verlinkt.
Position des ZIA
Bereits die Fristsetzung des Bundesverfassungsgerichtes für die Anwendung der Neuregelung bis zum Jahr 2025 weist den Gesetzgeber in gewisse Grenzen bei der Ausgestaltung des Grundsteuermodells. Denn Umsetzung eines Modells muss für den Steuerpflichtigen und die Finanzverwaltung zeitlich realisierbar sein. Die Bewertung von Wohn- und Wirtschaftsimmobilien (ca. 36 Mio. Grundstücke) nach dem Bundesmodell ist hierfür zu aufwendig. Insbesondere bei der Erstbewertung müssen viele nicht vorliegende Daten eruiert werden. Daher bedarf es bedarf eines einfachen Modells.
Der ZIA kritisiert das wertabhängige Bundesmodell, weil es trotz vorgenommener Vereinfachungen im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens weiterhin komplex bleibt. Im Ergebnis von aufwendigen Ermittlungen wird letztlich lediglich eine Art „Schein-Verkehrswert“ ermittelt. Dies liegt an der fast ausschließlichen Verwendung von statistischen Werten. Insbesondere eignen sich auch die Bodenrichtwerte im Grundsteuerkontext nicht als Berechnungsparameter, weil die Ermittlungsverfahren zu intransparent und die Werte nicht justiziabel sind.
Die Folge der Wahl eines wertorientierten Modells wie des Bundesmodells: Es führt sowohl bei der Neubewertung der rund 36 Millionen Grundstücke als auch bei deren zwingend notweniger wiederkehrender Folgebewertung zu Problemen. Denn die Wertermittlung von Immobilien ist komplex; insbesondere Wirtschaftsimmobilien sind als Spezialimmobilien nur sehr aufwändig einer einfachen Bewertung zu unterziehen. Gerade die zwingende regelmäßige Neubewertung wurde dem aktuell noch geltenden wertorientierten Grundsteuerrecht zum verfassungsrechtlichen Verhängnis.
Je komplexer das Erhebungsverfahren, desto häufiger der juristische Streit. Mit einer – letztendlich vom Hebesatz abhängigen aber theoretisch möglicherweise – steigenden Grundsteuerbelastung würde aus Sicht des ZIA auch die Bereitschaft von Immobilieneigentümern steigen, die komplexe Ermittlung der wertorientierten Bemessungsgrundlage überprüfen zu lassen. Eine weitere Belastung der Verwaltung und Gerichte wäre die unerwünschte Folge.
Das Anliegen des ZIA ist es daher, dass die Länder die Öffnungsklausel nutzen und vom Bundesmodell abweichen sollten – nach der eingangs aufgezeigten verfassungsrechtlichen Einschätzung von Prof. Dr. Gregor Kirchhof müssen sie es sogar. Die Länder sollten eine einfache und unbürokratische Grundsteuer wie dem Flächenmodell – ggf. ergänzt um einen regionalen Lagefaktor – einführen. Der Vorteil: Ein wesentlich geringerer Verwaltungsaufwand und eine transparente Berechnung. Auch in diesem Falle wäre natürlich das politische Versprechen der Aufkommensneutralität einzuhalten.
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